BVfK-aktuell | 15. Juni 2016

OLG-Hamm: Ausfall der Servolenkung eines Porsche 911 Turbo bei Regen kein Sachmangel, sondern „konstruktive Besonderheit“.

Bundesgerichtshof: Fehlen der Herstellergarantie ist Sachmangel.

LG Darmstadt: Keine Anrechnung von fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen in Drittbetrieben ohne Anzeige beim Verkäufer. 

---

Die BVfK-Rechtsabteilung informiert:

---

OLG-Hamm: Ausfall der Servolenkung eines Porsche 911 Turbo bei Regen kein Sachmangel, sondern „konstruktive Besonderheit“.

Der erfolglose Kläger reklamierte gelegentlich kurzes Ausfallen der Servolenkung bei sehr starkem Regen oder nach der Nutzung einer Waschanlage, da Wasser konstruktionsbedingt über Lüftungsschlitze in den Motorraum eindringen könne, was dazu führe, dass ein Flachriemen, der unter anderem die Servolenkung versorgt, durchrutschen würde.

Die Richter urteilten: Technisch besonders leistungsfähige Motoren basierten auf ausgefeilten technischen Konstruktionen. Daher könnten unter besonderen Umständen kurzzeitig technische Störungen auftreten. Das sei dann aber als konstruktive Besonderheit und nicht generell als Sachmangel zu werten.

Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung:

Das Urteil ist nach erster Einschätzung  als durchaus hilfreich einzustufen, denn es dürfte einem Trend entgegenwirken, bei dem sich die Erwartungen an Haltbarkeit und technische Perfektion am allgemeinen Klassenstandart orientieren.  Der BVfK hat diesbezügliche Urteile verschiedener Obergerichte immer als Gleichmacherei kritisiert, die eher niedrigerer Standards fördern, als die Entwicklung innovativer Techniken.

---

Bundesgerichtshof: Fehlen der Herstellergarantie als Sachmangel.

Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache sind nicht nur die Faktoren, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.

Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte vom Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, einen Gebrauchtwagen, den dieser zuvor auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und dort mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben hatte. Kurz nach dem Kauf mussten infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden, die für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei blieben. Später verweigerte der Hersteller mit der Begründung, im Rahmen einer Motoranalyse seien Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes - vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger - festgestellt worden, weitere Garantieleistungen; die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nunmehr teilweise in Rechnung gestellt. Daraufhin trat dieser unter Verweis auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz ihm entstandener Aufwendungen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Auffassung vertreten, es handele sich bei der Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Kraftfahrzeugs, sondern lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache, nämlich zwischen Hersteller und Fahrzeughalter. Deshalb könne das Fehlen einer solchen Garantie, auch wenn sie vom Verkäufer zugesagt oder beworben worden sei, von vornherein nicht einen für einen Rücktritt erforderlichen Sachmangel im Sinne der § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB*, § 434 Abs. 1 BGB** begründen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - seit der im Jahre 2001 erfolgten Modernisierung des Schuldrechts ein wesentlich weiterer Beschaffenheitsbegriff gilt und daher das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB** darstellt. Der Bundesgerichtshof – so auch der Senat - hat seit der Schuldrechtsmodernisierung bereits mehrfach entschieden, dass als Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache nicht nur die Faktoren anzusehen sind, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr kommt beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie deshalb - bei Vorliegen der weiteren, vom Berufungsgericht nicht geprüften Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB** - auch im vorliegenden Fall einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Kläger zum Rücktritt berechtigen. Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können.

Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung:

Dieses Urteil überrascht die BVfK-Juristen. Bisher waren die Land- und Oberlandesgerichte sowie maßgebliche Kommentare davon ausgegangen, dass die Herstellergarantie eine vertragliche Nebenabrede darstelle. Ein Fehlen der Herstellergarantie stellte in diesem Zusammenhang zumindest solange kein Problem dar, wie die Garantie nicht in Anspruch genommen wurde bzw. der Händler sich bereit erklärte, im Umfang der Herstellergarantie einzustehen.

Auch dieses Urteil stellt insofern eine Fortsetzung der sehr verbraucherfreundlichen Bewertung juristischer Sachverhalte durch den BGH dar. Besonders unerfreulich ist dieses Urteil, weil es weitere Fragen aufwirft und so den Weg für eine weitere Entwicklung öffnet, die zu neuen Belastungen für den Handel führen wird, der besonders die EU-Importeure treffen wird. Auch wird sich nun die Frage stellen, ob dieser Mangel nachbesserungsfähig ist oder nicht. Angenommen der Hersteller gewährt keine Garantieverlängerung und der BGH lässt die Zusage des Händlers, im Rahmen der Herstellergarantie zu haften, nicht ausreichen – dann wäre der Mangel nicht nachbesserungsfähig und würde im Regelfall zur Rücktrittsmöglichkeit führen.

Urteil vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2016

---

LG Darmstadt: Keine Anrechnung von fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen in Drittbetrieben ohne Anzeige beim Verkäufer 

Auf dem richterlichen Prüfstand standen jüngst die vom Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK), dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und dem Verband der internationalen Kfz-Hersteller (VDIK) für den Neuwagenverkauf empfohlenen Vertragsformulare.

Diese beinhalten anders als bei den Vertragsempfehlungen des BVfK eine Regelung, die Neuwagenkäufern erlaubt, zur Beseitigung von Mängeln auch so genannte autorisierte Drittbetriebe aufzusuchen, ohne den Verkäufer zuvor darüber zu informieren oder den angeblichen Mangel angezeigt zu haben.

Den Verkäufer müssen die Käufer erst dann unterrichten, wenn die erste Mängelbeseitigung erfolglos war.

Weil eine Kundin diese Benachrichtigung des Verkäufers versäumte, urteilte das LG Darmstadt in seiner Entscheidung vom 01.02.2016, dass der Kaufvertrag über einen neuen BMW nicht rückabgewickelt werden dürfe.

Die Kundin hatte das Fahrzeug nach auftretenden Problemen am Automatikgetriebe in zwei Drittbetrieben vorgestellt. Dort konnte der Mangel jeweils nicht beseitigt werden.

Der grundsätzlich nach zwei fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen mögliche Rücktritt war für diese Kundin jedoch nicht möglich.

Das Gericht begründete die Entscheidung damit, die Kundin habe es versäumt, den Mangel, wie im Vertrag vereinbart, nach dem ersten erfolglosen Versuch in einer Drittfirma beim Verkäufer anzuzeigen. Diese Anzeige beim Verkäufer sei notwendig, damit dieser noch vor Eintritt der "Rücktrittsreife" in die Lage versetzt werde, sich selbst um die Angelegenheit kümmern zu können.

- LG Darmstadt, Urt. v. 01.02.2016, Az. 1 O 295/13 –

Anmerkung der BVfK-Rechsabteilung:

Nicht das Urteil selbst, sondern vielmehr die sehr kundenfreundliche Klausel in den Vertragsformularen / - Empfehlungen von ZDK, VDA und VDIK kommt hier für den nicht täglich im Neuwagengeschäft agierenden Kfz-Händler möglicherweise überraschend daher.

So gilt doch in der Regel der Grundsatz, dass der Käufer bei jedem Defektauftritt zunächst den Verkäufer kontaktieren muss, um seine vermeintlichen Gewährleistungsansprüche nicht zu gefährden.

Die BVfK-Neuwagenverträge sehen eine vergleichbare Regelung aus gutem Grund nicht vor.

Der BVfK empfiehlt bei Mängelrügen, die Chance zu nutzen, „Herr des Geschehens“ zu werden und zu bleiben. Dazu gehört auch das Recht zur Überprüfung, wenn am Fahrzeug einmal etwas beanstandet wird. Dieses Recht gibt der Verkäufer durch Verwendung der hier streitgegenständlichen Klausel aus der Hand.

---

Die 10 wichtigsten Gründe für die BVfK-Mitgliedschaft:

 

• BVfK-Logo: Ihr Siegel für Seriösität - mehr Klicks, weniger Standdtage ( ermittelt bei Autoscout24)

• Stärke durch Solidargemeinschaft

• Lobbyarbeit optimiert Rahmenbedingungen

• Juristische Kompetenzen minimieren Risiken. Ersteinschätzung immer inclusive

• Sonderkonditionen bei Gewerbepartnern amortisieren den Mitgliedsbeitrag

• BVfK-Garantiesysteme  - Perfektion durch ausgelagerte Reklamationsbearbeitung 

• BVfK-Tachogarantie - Verbrauchervertrauen zurückgewinnen

• Vertragsformulare inclusive

• Ertragssteigerung durch Vertrauens- und Imagegewinn

• Information, Seminare und Kongresse

Hier gehts zur BVfK-Mitgliedschafthttps://www.bvfk.de/mitglied-werden/